Schneller Laufen durch Neuroathletik
Schneller Laufen durch Neuroathletik
Ist es möglich, durch neurozentrierte Trainingsansätze schneller & effizienter zu laufen? Immer mehr Profisportler greifen auf Neuroathletik zurück und schwören auf bewährte Trainingsansätze. Im Folgenden gehen wir auf die Definition von Neuroathletik ein und erklären, warum Neuroathletik in Ergänzung zum klassischen Athletiktraining eine sinnvolle Ergänzung sein kann, um langfristig schneller laufen zu können und besonders in Sportarten wie Hyrox, im Triathlon oder im Marathon das volle athletische Potential zu entfalten.
1. Was verstehen wir unter Neuroathletik?
Neuroathletik ist die Weiterentwicklung des klassischen Athletik-Trainings unter Einbeziehung des zentralen Nervensystems (ZNS) als primäres Element der Bewegungssteuerung. Es wird sowohl im Spitzensport als auch in der Rehabilitation und Prävention eingesetzt, um eine effizientere Bewegungssteuerung zu erreichen. Durch spezifische Übungen für das Gehirn, das visuelle System, das Gleichgewicht und die Propriozeption werden motorische Fähigkeiten verbessert, wodurch sich letztendlich die Bewegungs-Effizienz erhöht.
Gut zu wissen: Wie präzise, koordiniert und dynamisch eine Bewegung abläuft, ist abhängig davon, wie gut das Endresultat aller Informationen im Gehirn ankommen.
Die wichtigste Aufgabe unseres Gehirns:
Ob das Gehirn optimale Leistung bringen kann, ist davon abhängig, wie vorhersehbar die Situation ist. Letztendlich sind wir immer nur so leistungsfähig, wie sich das Gehirn in der Situation sicher fühlt. Und das ist nicht nur im Kontext Schmerz wichtig, sondern auch wenn wir über Performance im Sport sprechen. Denn offensichtliche muskuläre und/oder neuronale Dysbalancen können schließlich dazu führen, dass sich unser Gehirn unter größter Anstrengung mehr und mehr unsicher fühlt, wodurch beispielsweise Output herunterreguliert wird, als auch gleichzeitig das Schmerzempfinden hochreguliert wird.
Gut zu wissen: Unser Gehirn ist nicht auf maximale Performance ausgelegt. Das oberste Ziel ist: Überleben. Probleme im Gleichgewichtssystem oder im visuellen System können aus neurozentrierter Sicht zwangsläufig dazu führen. dass Kraft und Mobilität weniger werden und zeitgleich das Schmerzempfinden höher wird. Wir können also immer nur die volle Kraft entfalten, wenn unser Gehirn sich sicher fühlt.
STRONG Tipp: Björn und Timo haben in der STRONG for life Folge #54 über wissenswerte Fakten rund um Neuroathletik gesprochen.
Die drei wichtigsten Systeme für optimale Laufleistung:
Drei Systeme sind entscheidend, damit unser System bestmögliche Informationen erhält und somit für eine optimale und dynamische Bewegung sorgt.
1. Das visuelle System - Die Basis jeder Bewegung: Nahezu alle Bewegungen werden anhand der visuellen Wahrnehmung entworfen. Mit 10 Millionen Daten pro Sekunde liefert es die meisten Daten an unser Gehirn und unserem zentralen Nervensystem. An diesem Prozess sind über 30 verschiedene Hirnareale beteiligt. Das visuelle System ist wichtig für unsere Haltung, Stabilität und Präzision der Bewegung. Ein Problem im visuellen System kann dazu führen, dass Informationen nicht klar verarbeitet werden können, sodass eine zukünftige Situation nicht 100 % vorhersehbar ist und die Leistung gemindert wird. Das Gehirn zieht sprichwörtlich die Handbremse.
Gut zu wissen: Vor allem in Mannschaftssportarten ist die Reaktionsgeschwindigkeit enorm wichtig und oft entscheidend über Sieg oder Niederlage. Wer bewegt sich früher, schneller, effizienter und präziser?
2. Das Gleichgewichtssystem für mehr Stabilität beim Laufen: Das Gleichgewichtssystem arbeitet sehr eng mit dem visuellen System zusammen. Die Gleichgewichtsorgane messen die Beschleunigung von Kopf und Körperbewegungen und senden diese Informationen an das Gehirn wo sie schließlich analysiert und interpretiert werden. Dreh und Rotationsbewegungen werden dabei durch die Bogengänge gemessen, die geradlinige Beschleunigung des Körpers durch die beiden Makulaorgane (Sacculus vertikal und Utriculus horizontal). Funktionsdefizite im Gleichgewichtssystem führen häufig zur Asymmetrie und Dysbalancen (sowohl auf motorischer als auch auf struktureller Ebene). Außerdem kann es oft in Koordinationsproblemen und Haltungsproblemen wie Skoliose oder einem Beckenschiefstand enden.
Gut zu wissen: Ein starkes Defizit im Gleichgewichtssystem kann sich negativ auf unser visuelles System auswirken. Im Umkehrschluss bedeutet das: Verbessern wir unser Gleichgewichtssystem, können wir dadurch unsere Augen und Sehkraft optimieren.
3. Das propriozeptive System - die Körperwahrnehmung im Raum: Das propriozeptive System beschreibt die Wahrnehmung wie sich unsere Gelenke im Raum bewegen. Ein Sportler sollte immer in der Lage sein, jedes wichtige Gelenk im gesamten Bewegungsumfang in jeder Geschwindigkeit kontrollieren zu können. Wenn die Bewegung nicht zu 100 % vorhersehbar ist, wird die Leistung der Bewegung eingeschränkt - das Gehirn drosselt sprichwörtlich als Schutz die Leistung.
Gut zu wissen: Periphere Nerven sind ein wichtiger Teil des propriozeptiven Systems. Durch sie werden Informationen zwischen Körper und Gehirn in beide Richtungen transportiert - die sog. afferenten und efferenten "Autobahnen".
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass neuronale Defizite in einem der drei Systeme dazu führen können, dass wir nicht unser volles athletisches Potential entfalten können. Für eine "optimale Bewegung" ist es unerlässlich, dass alle drei Systeme reibungslos und fehlerfrei miteinander kommunizieren.
Neuroathletik und Laufen - So verbessert es Deine Lauf-Performance
Wie genau kann Neuroathletik-Training das Laufen optimieren und die Leistungsfähigkeit im Marathon, Triathlon oder Hyrox steigern?
Wie oben beschrieben, ist eines der Kernelemente des Neuroathletiktrainings, die Bewegungseffizienz zu verbessern. Und genau dies ist eine entscheidende Variable im Laufsport: Je effizienter der Laufstil, desto mehr Energie wird eingespart. Im Umkehrschluss kann eine ineffiziente Lauftechnik zu frühzeitiger Erschöpfung und Überlastungsschäden führen.
Sehen wir uns beispielsweise Weltklasse-Marathonläufer an, dann sieht der erste Schritt genauso effizient und ökonomisch aus wie der letzte Schritt im Zieleinlauf.
Neuroathletik-Training: Vier starke Vorteile auf einem Blick
- Effizientere Lauftechnik: Durch eine verbesserte neuromuskuläre Ansteuerung können wir den Energieverlust während des Laufens reduzieren
- Bessere Ausdauerleistung: Optimierte neuronale Prozesse verringern muskuläre Ermüdung.
- Weniger Verletzungen: Durch eine verbesserte Bewegungssteuerung sinkt das Risiko für Überlastungsschäden. Verletzungen im Hyrox-Training oder in der Marathon-Vorbereitung können so vorbeugt werden.
- Schnellere Regeneration: Ein trainiertes Nervensystem verkürzt Erholungszeiten. Wir können schneller regenerieren nach intensiven Trainings-Einheiten.
Neuronale Defizite beim Laufen erkennen und durch Neuroathletik optimieren:
Natürlich stellt sich jetzt auch die Frage, woran sich erkennen lässt, ob neuronale Defizite vorhanden sind. Hier sind drei häufige Schwachstellen, die wir in unseren Lauf-Assessments immer wieder sehen:
1. Ständiger Blick nach unten & erhöhter Muskeltonus einseitig (häufig ist immer dieselbe Seite betroffen, sowohl während des Laufens, als auch nach dem Laufen), was häufig auf ein Problem im vestibulären System zurückzuführen ist. Haltungsprobleme können allerdings auch die Ursache im visuellen System haben. Solltest Du also immer wieder während oder nach dem Laufen vermehrt das Gefühl haben, dass immer nur eine Körperhälfte "zugeht" oder "schlappmacht", kann das ein neuronales Defizit sein.
Lösung: Spezifische Neuro-Drills für das Gleichgewichts- und visuelle System helfen, muskuläre Dysbalancen zu korrigieren und die Körperhaltung zu verbessern.
2. Fehlende Stabilisierung im Rumpf - Ursache im visuellen System: Auch das kann auf ein neuronales Defizit zurückzuführen sein. Das visuelle System aktiviert den tractus tectospinalis (Verbindung vom Stammhirn zur Hals- und Nackenmuskulatur). Ein Problem im visuellen System kann also dazu führen, dass wir eine instabile Kopfposition haben, was zur Instabilität im Rumpfbereich führt. Ein instabiler Rumpf wirkt sich negativ auf die Ökonomie des Laufstils aus.
Lösung: Durch eine spezifisch Aktivierung der Halsmuskulatur & unterschiedlicher Hirnnerven können wir die Rumpfstabilität verbessern.
3. Probleme in der Feinmotorik & fehlender Armschwung sind häufig auf Probleme im Kleinhirn zurückzuführen. Das Kleinhirn ist unter anderem mit verantwortlich, wie präzise, feinmotorisch gut und effizient wir eine Bewegung ausführen können. Häufig ist nur eine Seite betroffen. Rechtshänder haben beispielsweise oft feinmotorische Schwierigkeiten auf der linken Körperhälfte.
Lösung: Ein komplexes Lauf-ABC im Warm-up, als auch feinmotorische Drills auf der Körperhälfte, die limitierend ist, kann das Kleinhirn stimulieren und die Bewegungs-Effizienz im Laufen verbessern.
Fazit:
Neuroathletik kann gezielt dabei helfen, die Laufökonomie, das Durchhaltevermögen und die Verletzungsprävention im Laufsport zu verbessern – ein entscheidender Vorteil für Bestzeiten und mehr Spaß im Training / im Wettkampf. Letztendlich gilt es, gezielt herauszufinden, in welchen Gehirnarealen Defizite bestehen und diese anschließend mit spezifischen Drills zu aktivieren.

Über den Autor
Timo Tekolf ist Coach, Athlet und Owner der STRONGMOVE GmbH sowie Dozent der Medletics Academy. Dazu ist er Autor des E-Books "Wie uns das moderne Leben krank macht": Ein vollwertiges, wissenschaftliches und praktisches Gesundheitsbuch, mit dem Du sofort Deine Gesundheit optimieren wirst.